Die Jörg Ridder Kolumne »Barmann in Wenningstedt«
Leere #08/2025
In mir ist eine Leere, die auch nicht verschwindet, wenn ich esse oder trinke. Es mag sein, dass ich die Leere vergesse, wenn ich esse. Sie begleitet mich durch den Tag. Sobald ich am Morgen die Augen öffne, ist sie da. Vor dem Einschlafen verdränge ich sie, indem ich mit einem Hörspiel in den Schlaf komme. Dass ich diese Leere empfinde, macht mich ärgerlich, denn ich weiß, zumindest glaube ich zu wissen, wie ich meine Leere füllen kann. Ich bin ärgerlich, da der Mangel in meinem Leben meiner Gesundheit schaden könnte. Ich bin ärgerlich, weil ich wieder einen wunderbaren Tag befürchte zu verschenken, wenn ich heute nicht anders handel als an all den schönen Tagen, die ich verpasste, gehandelt habe. Als der Schmerz am schlimmsten war, legte ich mich zu ihr. Der Schmerz war weg, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, bis sie sagte, wir seien getrennt. Zehn Jahre zuvor konnte sie mir nicht helfen. Was war damals? Ich kann es mir bis heute nicht verständlich erklären. Ich fühlte mich verpflichtet, von Liebe zu reden. War es ein Mangel in mir, ein Mangel im Außen? Warum sollte ich die Fragen der Vergangenheit beantworten wollen, wenn doch die Gegenwart genug Fragen stellt? Aber ist die Leere, der Mangel, der Wunsch der Vergangenheit, nicht die gleiche Leere, der gleiche Mangel, der gleiche Wunsch der Gegenwart? Wenn ich die Fragen der Gegenwart beantwortet habe, wenn die Leere, der Mangel gefüllt sind, brauche ich die Fragen der Vergangenheit nicht mehr beantworten, sie haben sich erledigt, sie haben für die Gegenwart ihren Sinn, ihre Funktion verloren. Gestern ging sie voraus, weit entfernt, ich rief ihren Namen, sie hörte mich nicht. Sie hätte meinen Mangel getröstet, nicht gefüllt. Doch der kurze Augenblick hätte mir gutgetan. Wenn der Augenblick guttut, würde die Anreihung von Augenblicken auch guttun? Ich habe ein Alter erreicht, in dem das Ende des Augenblicks auch das Ende des Ganzen sein kann. Also bitte, so viel Verstand gestehe ich mir zu: Handle! Aber genüge ich meiner Erkenntnis nicht schon, wenn ich meine Gedanken verschriftliche? Mein Verstand sagt nein, mein Gefühl sagt ja. Denn da ist doch noch die Angst, meine treue Begleiterin. Oder aber, muss ich mir doch die Vergangenheit erklären um die Gegenwart zu verstehen. Aber, heißt es nicht: Lebe, nicht denke! Ok, für heute höre ich auf zu denken und lebe. Wie fühlt sich der Gedanke an? Was macht die an mich gestellte Aufforderung mit mir. Das Gefühl der Leere wird überlagert von einem Bauchgrummeln. Was ist Brauchgrummeln? Es entspricht dem Gefühl vor der Klassenarbeit, dem Gefühl vor Rückgabe der Klassenarbeit. In welchem Alter habe ich die erste Klassenarbeit geschrieben? In der Grundschule, in der ersten, zweiten oder dritten Klasse? Alles scheint seinen Anfang in der Grundschule zu haben, wenn Gefühle sich gleichen. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, das während der Grundschulzeit eine Klassenarbeit geschrieben wurde, wie will ich mich dann an das Bauchgrummeln erinnern können? Kann ich mich an andere Ängste erinnern? Sollte ich mich erinnern, was haben diese Ängste mit der Angst zu tun, an die sie mich erinnert. Genug Fragen für heute.